Armut im Alter!
ARMUT im Alter – wenn es um Armut im Alter geht, outet sich niemand gerne. Die Hinnahme von unfreiwilliger Armut in der Gesellschaft stellt ein gesellschaftliches wie individuelles Versagen dar.
Unsere Gesellschaft verfügt über ein in der Geschichte der Menschheit noch nie dagewesenes Ausmaß an Ressourcen: deswegen gibt es keine Entschuldigung, unzureichende Teilhabe und Armut nicht entschieden überwinden zu wollen.
Die Suche nach einem Hausarzt oder einem Facharzt ist immer schon schwierig, ältere Menschen trifft dieses Problem aber oft noch stärker. Sie sind oft multimorbid und gelten als eine zeitaufwendige und anstrengende Patientengruppe.
Die große Zahl derjenigen, deren Rente nur wenig über der Armutsgrenze liegt, kann kaum die notwendigen hohen Zuzahlungen für den Zahnersatz leisten.
Zahnärzte informieren diese Patienten außerdem selten über die ausreichende Grundversorgung, sondern kommen, symbolisch ausgedrückt, mit dem Mercedes um die Ecke.
Und ausgerechnet bei den von älteren Menschen häufig benötigten Augenärzten treten ebenfalls große Probleme auf. Oft wird schon bei der Terminvergabe massiver Druck ausgeübt, eine „teure“ IGeLeistung wie z. B. eine Glaukomuntersuchung zu akzeptieren. Die Unterversorgung mit Seh- und Hilfsmitteln bringt besonders schwerwiegende Beeinträchtigungen im Alltag der von Armut betroffenen älteren Menschen mit sich.
In vielen Fällen leben die Betroffenen alleine, haben keine handwerklichen Fähigkeiten, oder haben schlicht kein Werkzeug zu Hause. Handwerker sind teuer und kaum verfügbar.
Wenn ältere Menschen aus finanzieller Not gezwungen sind, ihre angestammte Wohnung in dem Stadtteilkiez zu verlassen, in dem sie jahrelang gelebt haben, fehlt ihnen oft jeder nachbarschaftliche soziale Kontakt. Die alten Möbel passen dann oft nicht mehr in die neue Wohnung und neue Möbel können sie sich nicht leisten.
Das vom Sozialamt bezahlte Umzugsunternehmen stellt z. B. die Möbel aus der größeren Wohnung in die kleinere, ohne Rücksicht darauf, ob sie passen oder nicht. Zurück bleiben ältere Menschen in einem Chaos anstatt einem wohnlichen Heim.
Durch das Verlassensein kommt es zur Isolation und nicht selten endet es in schweren körperlichen und seelischen Erkrankungen. In Großstädten wird die Situation dadurch noch schwieriger. Aber auch Gebiete im ländlichen Raum erleben eine versteckte Armut. Junge Menschen verlassen diese Gebiete und lassen dabei Eltern oder Großeltern zurück.
Durch den Wegfall wichtiger Leistungen wie z. B. Verkehrsanbindung, Geschäfte für den alltäglichen Bedarf, medizinische Leistungsangebote kommt es zur regelrechten Vereinsamung aber auch „Verwahrlosung“. Meistens können die älteren Menschen ihren angestammten Wohnsitz nicht mehr aus eigener Kraft verlassen.
Eine kleine und niedrige Rente kann dazu führen, dass kaum noch geheizt wird. Strom, Wasser aber auch lebensnotwendige Nahrungsmittel werden massiv reduziert.
Flaschen sammeln, um zu überleben, ist entwürdigend und ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft!
Man kann der Armut im Alter gar nicht genug Aufmerksamkeit schenken. Ebenso verhält es sich mit „Kinderarmut“. Sie ist meist die Folge von wirtschaftlicher Not in den Familien oder bei alleinstehenden Müttern und Vätern.
Aus Minderjährigen in einkommensarmen Familien werden oft arme Erwachsene.
Später werden daraus häufig Menschen, die von Altersarmut betroffen sind.
Die Seniorenvertretungen und Sozialverbände/Kirchen in Stadt und Land verstehen Generationengerechtigkeit und den Kampf gegen Armut als ein Miteinander von Alt und Jung, nicht als ein Gegeneinander der Generationen gegeneinander.
Die Alten wollen nicht auf Kosten der Jungen leben, sondern unterstützen sie auf vielfältige Art und Weise. Das muss man gemeinsam mit den Interessenvertretungen der jungen Generation einer breiteren Öffentlichkeit nachhaltig bewusst machen.
Vorschlag zur Hilfe bei Altersarmut:
Menschen mit geringer Rente müssen mit ihrem Rentenbescheid Möglichkeiten der Hilfe aufgezeigt bekommen. In Würde alt werden und auch leben können, das ist das, was Politik gesetzlich festlegen und durchsetzen muss.
Städte und Gemeinden mit einem gewählten Seniorenbeirat sollen darüber die Hilfe organisieren. Es muss den Seniorenvertretungen dafür ein festgelegtes Budget zur Verfügung gestellt werden. Es kann nicht sein, dass man alles nur über Ehrenamt ableistet. Jede ältere Bürgerin oder jeder ältere Bürger muss erfasst werden und auch seine momentane Lebenssituation. Niemand darf in unserer Gesellschaft allein gelassen werden.
Beratungsstellen beziehungsweise mobile Teams, die ältere Menschen aufsuchen. (z. B. Wohnbeihilfe, medizinische Unterstützung, Betreuungshilfe, Haushaltshilfe, Fahrdienste usw. usf.). Auch Pflege, – und Krankenversicherungsgesellschaften müssen die Zuzahlungsoptionen verbessern, damit Menschen im Alter weiterhin vernünftig essen können (Zahnersatz) und auch mit dementsprechenden vernünftigen Hörgeräten und Brillen ausgestattet sind. Denn das ist auch ein Teil der Teilhabe im und am Leben. Hierzu muss der Gesetzgeber aufgefordert werden, Änderungen schnell und unbürokratisch vorzunehmen.
Thomas de Vachroi
Armutsbeauftragter im evangelischen Kirchenkreis Neukölln
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