Die Koffer-Odysee: Oder wie Berlin mich fast besiegt hat.
Die Koffer-Odysee: Oder wie Berlin mich fast besiegt hat. (Ein Tatsachenbericht aus Berlin Schöneberg)
„Wenn eine eine Reise tut, dann kann sie was erleben“, sagt man. Ich sage: Und auf der Rückreise kann man was erleiden. Und wenn der Koffer 20 Kilo wiegt, wird’s zur Tragödie mit Slapstick-Einlagen – und zu allem Übel goss es aus Kannen.
Frisch gebräunt aus Griechenland, lande ich am BER. Der Plan war perfekt: Koffer schnappen, S-Bahn rein, bis vor die Haustür gleiten – wie in einem Werbespot für rüstige Rentner. Haha. Wer Berlin kennt, lacht jetzt schon.
Erster Akt: Schienenersatzverkehr. Die S-Bahn steht, stattdessen Busse. Voll. Bis zum Anschlag. Ich, 72 Jahre jung, mit meinem Monstrum-Koffer, stehe da wie ein verlorener Tourist. „Platz machen? Hilfestellung?“ Fehlanzeige. Die Berliner starren in Handys, als wäre ich unsichtbar. Ein Typ mit Kopfhörern rempelt mich an – der Koffer wackelt, ich wackle, fast kippe ich um. „Entschuldigung!“, rufe ich. Er grunzt nur. Willkommen zu Hause.
Taxi? Vergiss es. Keins weit und breit. Also rein in den nächsten überfüllten Bus. Umsteigen. Wieder umsteigen. Drei Busse später, schwitzend wie in der Sauna von Santorini, erreiche ich endlich die Innenstadt. Hunderte Meter bis zur Haustür – und nun regnet es auch noch. Nicht einfach Regen. Nein, aus Kannen. Aus Eimern. Aus der ganzen Gießkanne des Himmels. Der Himmel hatte kein Erbarmen. Ich stehe mit meinem 20-Kilo-Monster vor dem Bus, die Bustür schließt sich – zack – und der Fahrer fährt einfach weiter. „Nächster bitte!“ Ich stehe im Wolkenbruch, der Koffer wird schwerer, weil er sich vollsaugt wie ein Schwamm. Meine Sandalen? Matsch. Meine Urlaubsfrisur? Ein nasser Dackel. Ich schleppe den Koffer – ratter, ratter über Kopfsteinpflaster, durch Pfützen, die wie kleine Seen sind. Jede Unebenheit ein Stich ins Kreuz, plus Wind, der mir den Regenschirm umstülpt – flatsch – wie eine kaputte Blume. „Noch 50 Meter, du schaffst das!“, feuere ich mich an. Passanten huschen vorbei, als wäre ich ein rollendes Hindernis. Ein Radfahrer rast vorbei, spritzt mich bis zum Hals voll.
„Danke, Berlin!“ Ich fluche jetzt laut: „Verdammter Urlaub! Verdammtes Wetter!“
Endlich am Haus. Erleichterung! Bis ich den Zettel sehe: Fahrstuhl defekt. Drei Etagen. Drei! Mit 20 Kilo. Tropfnass und triefend wie ein begossener Pudel. Ich starre die Treppen an wie Odysseus die Sirenen. Treppe rauf, Stufe für Stufe. Der Koffer bumst gegen Geländer, ich keuche, fluche („Verdammter Urlaub!“). Zweite Etage – Pause, Schweißperlen mischen sich mit Regenwasser. Dritte Etage – ich bin ein Wrack.
Gerade als ich den Koffer auf die letzte Stufe wuchte, geht die Tür auf. Ein junger Mann, guckt mich an. „Brauchen Sie Hilfe?“ Jetzt fragt er? Ich nicke matt. Er schnappt den Koffer, trägt ihn bis vor meine Wohnungstür. „Danke“, murmle ich. Er grinst: „Kein Ding, Omi.“ Omi! Ich bin fix und fertig, der Rücken schmerzt mir heute noch: „Nie wieder!“
Moral der Geschicht’: Nächstes Mal lasse ich den Koffer vorab abholen – und wieder bringen. Per Drohne, per Teleporter, Hauptsache nicht ich. Griechenland war toll. Berlin? Ein Abenteuer, das ich nicht nochmal brauche. Aber hey, wenigstens hab ich was zu erzählen. Und einen Grund, nie wieder 20 Kilo Olivenöl mitzubringen.
Thomas de Vachroi



