Speziallager Sachsenhausen – Zeitzeugengeschichte über Ursula Vorwerk
Goldene Kamera für ein verfilmtes Schicksal
Der Fernsehsender “Berlin24” zeichnet Ursula Vorwerk aus, die von ihrem Leiden in Sowjetlagern erzählt. 21 Jahre jung war sie, die damals als Krankenschwester in Beelitz arbeitete, als sie wenige Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vom sowjetischen Geheimdienst NKWD verhaftet wurde.
Dahme. Ursula Vorwerk ist sicher der erste Filmstar in Dahme. Die Rentnerin hat immerhin eine Goldene Kamera erhalten. Zwar ist sie weder Schauspielerin noch sonst wie mit der Filmbranche verbandelt, aber sie ist Hauptdarstellerin des Dokumentarstreifens “Wider das Vergessen”, der ihre Erlebnisse in einem sowjetischen Sonderlager nacherzählt.
Kürzlich nahm sie den Preis des privaten Fernsehsenders “Berlin24” nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen glamourösen Fernsehpreis der Zeitschrift “Hörzu” im Procurand-Seniorenheim Dahme entgegen. “Ich bin unendlich gerührt und danke allen, die das möglich gemacht haben!”, sagte sie mit zittriger Stimme.
“Es ist unsere erste ,Goldene Kamera’, die nicht nur im Landkreis Teltow-Fläming und in Dahme, sondern im ganzen Land Brandenburg überreicht wird”, erklärt Ralph Kartelmeyer, Chefredakteur von “Berlin24”. Er selbst habe die Würdigung der 89-Jährigen angeregt. Die Sendergruppe produziert auch das Fernsehen für die Procurand-Gruppe.
Der knapp halbstündige Dokumentarfilm “Wider das Vergessen” beleuchtet die persönlichen Erlebnisse der aus Berlin stammenden Seniorin Ursula Vorwerk, die seit vier Jahren in Dahme wohnt. Es geht um ein wenig beachtetes Nachkriegsthema: Die Inhaftierung zehntausender Deutscher in den Sonderlagern des Sowjetischen Geheimdienstes NKDW (Volkskommissariat für innere Angelegenheiten).
21 Jahre jung war Ursula Vorwerk, die damals als Krankenschwester in Beelitz arbeitete, als sie wenige Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vom sowjetischen Geheimdienst NKWD verhaftet wurde. Warum? Das habe sie nicht erfahren, sagt Ursula Vorwerk. Dass auch ihr Chefarzt verhaftet worden war, erfuhr Ursula Vorwerk erst während der kurzen Gerichtsverhandlung, in der dieser zum Tode verurteilt wurde. Auch sie wurde verurteilt. Zehn Jahre verbrachte sie in diversen Zuchthäusern und Straflagern. Nach der Entlassung durfte sie nichts erzählen. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang hielt sie sich an das Verbot, sogar nach dem Freikauf durch die damalige Bundesregierung und ihrer Übersiedelung nach Westberlin.
Eine Reportage über das berüchtigte, Potsdamer Gefängnis “Lindenhotel”, ihrer ersten Leidensstation, gab den Ausschlag, ihr Schweigen zu brechen. Im Gespräch mit Thomas de Vachroi, dem bisherigen Einrichtungsleiter der Seniorenresidenz, entstand die Idee, aus ihren schrecklichen Erlebnissen einen eigenen Film zu machen. Gemeinsam besuchten Ursula Vorwerk und die Filmemacher das “Lindenhotel” und das ehemalige Sonderlager in Sachsenhausen, die heute Gedenkstätten sind. An den Originalschauplätzen ihres Leidensweges lässt Ursula Vorwerk auch den Zuschauer teilhaben an ihrer Verzweiflung und an ihren Tränen.
Erst während der Dreharbeiten erfuhr sie den Grund ihrer Inhaftierung: “Mitschuld am Tod sowjetischer Bürger” lautete die zu Unrecht erhobene Anklage, wie die am Film beteiligten Historiker aus alten Unterlagen herausfanden. Hintergrund für die konstruierte Anklage war der Tod schwerkranker Patienten, zu denen auch Sowjetbürger gehörten.
Seine Uraufführung erlebte “Wider das Vergessen” Ende 2012 im Dahmer Kino-Café (die MAZ berichtete). Vertreter aus Politik und öffentlichem Leben waren das Premierenpublikum. Mit der Aufnahme in die Sammlung “Gedächtnis der Nation” gelangte der Film auch an die breitere Öffentlichkeit.
“Nun hoffe ich, dass ich endlich auch selbst mit dem Thema abschließen kann”, sagte Ursula Vorwerk vor wenigen Tagen im erneuten MAZ-Interview. “Jeder alte Mensch hat sein Leben hinter sich und möchte das Bisschen, das er noch hat”, in Ruhe verbringen.
Von Uwe Klemens
red. Vachroi-VariAble-Veranstaltungen 2013
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