Gesellschaftliche Mauern!
Es lebten – ich weiß nicht in welchem Land,
zwei Barone, tadellos und wortgewandt.
Sie hatten beide nicht viel im Kopf,
doch ihre Manieren waren „tip und top“.
Der eine war ein „von“, der andere ein „zu“.
Sie ignorierten in vornehmer Ruh –
der eine den anderen geflissentlich,
denn jeder dünkte als der Bessere sich.
Sie wohnten beide in einem Haus
und schnitten sich jahrein und jahraus.
Sie kannten einander wohl bis aufs Hemd,
doch äußerlich taten sie kühl und fremd.
Sie hatten soviel miteinander gemein –
doch keiner von beiden wollte zuvorkommend sein.
Einst trafen fern der Gesellschaftsmauern
die beiden sich mal in den hohen Tauern.
Der Zufall fügte es – sie fielen zu zwei’n
in dieselbe Gletscherspalte hinein.
Sie schwiegen beharrlich korrekt auch dort,
denn finden wollte keiner das erste Wort.
Sie froren und hungerten beide da,
nur Luft war jeder dem anderen ja.
Stumm schieden sie beide aus dieser Welt –
sie waren einander nicht vorgestellt.
red. Thomas de Vachroi 2012
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