ARMUT, DIE EINE GESELLSCHAFT ZERSTÖREN KANN – AUCH EIN TEIL UNSERER WIRKLICHKEIT!
ARMUT, DIE EINE GESELLSCHAFT ZERSTÖREN KANN – AUCH EIN TEIL UNSERER WIRKLICHKEIT!
Viele, zu viele tummeln sich tagtäglich und fast selbstvergessend in dem trügerischen Slogan: Shoppen Sie sich glücklich!
Doch unser Land hat in wachsendem Maße, und das nicht erst seit der Corona Pandemie und dem Krieg gegen die Ukraine, auch noch ein anderes Gesicht – nämlich die Not und die Armut!
Da sind viele Arbeitslose, viele Einkommensschwache, viele Rentnerinnen und Rentner sowie viele Wohnungslose. Nicht zu vergessen, die vielen Kinder deren Eltern in wirtschaftlicher Not sind und dadurch die Armut hautnah erleben. Steigende Energiekosten und die negative Preisentwicklung von Lebensmitteln, sind ein weiterer Schritt, in die mittlerweile millionenfache Armut. Mit dem neuen Armutsbegriff @Meks schließt man nun auch ehemals fehlende Gruppen ein. @Meks steht für M-materiell, e-emotional, k-krankheitsbedingt und s-sozial. Massive Armut schadet auch den nicht mittelbar Betroffenen.
In Deutschland sind 21,2 Prozent der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.
Wer nicht vorher schon krank war, der wird es beim Leben auf der Straße.
Wer eine Erkältung in den Knochen spürt, der weiß: viel trinken, Wollsocken anziehen, schlafen – notfalls krankschreiben lassen. Nach ein paar Tagen ist die Erkältung wieder weg. Schwer machbar nur, wenn der Patient auf der Straße lebt. Dann kann aus der laufenden Nase schon mal eine verschleppte Erkältung werden und daraus eine Herzmuskelentzündung.
Obdachlosigkeit ist nicht nur ein gesellschaftliches soziales, sondern auch ein gesundheitliches Problem. Weil die Betroffenen Tag und Nacht draußen verbringen, werden sie krank. Weil es keinen Ort gibt, an dem sie sich erholen können, werden sie nicht mehr gesund. Ein nicht zu unterschätzendes Faktum ist die Nahrungsmittelaufnahme. Teils aus Müllcontainern oder sogar weggeworfene Nahrungsmittel in Parkanlagen werden gegessen.
Obdachlose Menschen altern schneller, sind öfter verletzt und verschleppen Infektionen. Viele trinken Alkohol oder nehmen andere Drogen; oft, um Schmerzen und Probleme zu verdrängen. Obdachlose gehören zu den kränksten Menschen in unserer Gesellschaft.
Hinzu kommt, dass viele Obdachlose bereits vor ihrem Leben auf der Straße psychisch erkranken. Die Folgen: Überforderung, Einsamkeit, Schulden.
Zur medizinischen Versorgung obdachloser Menschen in Berlin gibt es kaum offizielle Daten. Erst seit 2015 werden die Behandlungszahlen systematisch erfasst. Auch der Verein Medizin hilft e.v. erfasst mittlerweile Behandlungszahlen sowie häufige Krankheitsfälle.
Sehr vage Schätzungen, voneinander abweichende Zahlen und unvollständige Datensätze: Das finden die VolontärInnen der Evangelischen Journalistenschule beim Versuch, Obdachlosigkeit für das Datenjournalismus-Projekt in Zahlen zu fassen.
Generell werden in Deutschland kaum Statistiken zu Obdachlosigkeit erhoben. Der Berliner Senat begründet das so: „Obdachlose, die sich nicht im Hilfesystem aufhalten, sind grundsätzlich nicht zählbar“, trotzdem versucht der Senat das Thema nun anzugehen mit neuen Projekten und vielen Trägern aus dem Sozialbereich. Auch die großen Kirchen beteiligen sich an einem „Armutsprogramm“.
Solange es aber in Berlin keine konkreten Zahlen zur Situation Obdachloser gibt, fehlt auch eine Argumentationsgrundlage für eine zielgerichtete und systematische Hilfe. Der Berliner Senat und die Bezirke stellen jährlich viele Millionen Euro für die Obdachlosenhilfe zur Verfügung.
Das reicht bei weitem nicht aus.
Alle Menschen müssen essen, schlafen, sich waschen, sich kleiden und auf Toilette. Für tausende Obdachlose in Berlin bedeutet das einen unüberwindbaren Aufwand.
Wo soll ich mich waschen?
Wo darf ich eine Toilette benutzen?
Wo bekomme ich Nahrung und Kleidung?
Wo bekomme ich medizinische Hilfe?
Es ist ein seit Jahren unzumutbarer Zustand.
Nun werden einige sagen: Selber schuld, keiner muss seinen Alltag auf der Straße leben.
Doch das wäre zu plakativ. Es gibt viele Gründe in unserer zivilen Welt, die man erklären aber auch abwenden kann.
Die Ursachen von Obdachlosigkeit oder drohender Wohnungslosigkeit sind vielfältig.
– Mietschulden und daraus resultierende Zwangsräumung
– Scheidung oder Tod eines Lebensgefährten oder nahen Verwandten, wenn
dadurch Hilflosigkeit eintritt
– Arbeitslosigkeit
– fehlende Schulbildung oder unvollständige Berufsbildung
– Wegfall der Grundsicherungsleistung nach wiederholter Verletzung der
Pflichten, von deren Erfüllung die
Grundsicherung abhängig ist (§ 31, § 31a SGB II)
– Krankheit oder Persönlichkeitsstörungen
– Gefängnisaufenthalt und mangelhafte oder fehlende Resozialisierung nach der Freilassung
– Kriegsflucht, Vertreibung oder Migration aus Armut
– Verlust des Wohnraums infolge von Naturkatastrophen
– das Erleiden eines Schädel-Hirn-Traumas
Obdachlosigkeit bei Kindern und Jugendlichen:
– materielle Not und Obdachlosigkeit der gesamten Familie
– Flucht vor Gewalt oder Missbrauch im Elternhaus
– zu enge Wohnverhältnisse im Elternhaus
– Flucht vor ständigen Konflikten mit anderen Familienmitgliedern
– Flucht aus Heimen
– Geldmangel in der Familie.
Der Aufruf an die Gesellschaft muss daher lauten:
• Schluss mit der Stigmatisierung Obdachloser aber auch armer Menschen
• Schluss mit dem kollektiven Wegschauen,
• Schluss mit dem überstrapazierten Mitleidsgefasel,
• Schluss mit der Verachtung menschlicher Not!
Eine Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht!
Weitere Forderungen an die Politik:
• Die sofortige Unterbringung der Obdachlosen in bereitgestellte Unterkünfte,
• eine medizinische und soziale Betreuung,
• Versorgung mit ausreichenden Nahrungsmitteln,
• die Rückführung der Menschen in ein ziviles Leben und Miteinander,
sowie eine bessere notwendige finanzielle Ausstattung der jeweiligen Träger für eine existenzielle Grundversorgung!
Die Not zu lindern, Hilfe anzubieten sowie den Menschen eine neue Perspektive aufzuzeigen um am gesellschaftlichen Leben wieder teilzunehmen, das ist unsere Verantwortung als Staat und Gesellschaft.
©Thomas de Vachroi
Armutsbeauftragter evangelische Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz, Kirchenkreis Neukölln/DWS
Sie können unsere Arbeit unterstützen:
Diakoniewerk Simeon gGmbH
Kennwort: Armut eine Stimme geben!
IBAN: DE90 3506 0190 0000 0300 07
BIC: GENODED1DKD
Kreditinstitut: KD-BANK (Bank für Kirche und Diakonie)
Auf Wunsch werden Spendenquittungen und Nachweise erstellt
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