7 Jahrzehnte Konsum und Demokratie – was bleibt?

Wer beim konsumieren nicht mithalten kann, fällt über den Rand. Neid, Habsucht und Gier sind die widerlichen Begleiterscheinungen. Verzichten müssen nur die, die dem wirtschaftlichen Druck und der ständigen Berieselung der Werbeindustrie nicht mehr standhalten.
Die Wortschöpfung „Geiz ist geil“ war der Höhepunkt. Kinder wurden und werden so erzogen, dass nur der oder die etwas gelten, die nach außen hin sogenannten Wohlstand präsentieren. Freundschaften und Familien zerbrechen, weil man sich vielleicht für die Eltern oder eigenen Kindern sogar schämt, wenn nicht jedes Jahr ein neues Auto vor der Tür steht oder man keinen Wintergarten aus finanziellen Gründen bauen kann.

Werte wie Bescheidenheit, Höflichkeit oder gar Mitmenschlichkeit verschwinden zunehmend aus dem Wortschatz.

Wer krank wird, wird nicht etwa bedauert, nein man „stößt“ ihn aus der Gesellschaft, so nach dem Motto: Was für ein Versagertyp!
Mitleid oder Nächstenliebe überlässt man den sogenannten „Gutmenschen“ oder den Kirchen. Viele sind und waren der Meinung, mich trifft es ja nicht.

Kriege und Umweltkatastrophen kennt man nur aus dem Fernsehen und vor der eigenen Tür kehrt man nicht gern, das überlässt man anderen.
Doch über 7 Jahrzehnte hinterlassen Spuren und es dauert nochmal so lange, bis es zu einer Umkehr kommt.

Natürlich merken wir gerade jetzt in der allgegenwärtigen Krise, was Solidarität heißt. Es gibt schon jetzt eine zwangsweise Umkehr und Konsum wird kritisch hinterfragt. Die Größe eines Hauses oder einer Wohnung sagt noch lange nichts über die darin Wohnenden aus. Viele sind auch in dieser Situation einsam. Die Repräsentation des eigenen Wohlstands kommt an ihre Grenzen.

Doch wie definiert man Wohlstand? Das sollte jeder oder jede für sich selbst beantworten.

Ist einigen Politikerinnen/Politikern und gesellschaftlichen Gruppierungen in unserem Land bewusst, wie schnell unsere erkämpfte Demokratie gerade zerstört wird?
Spott, Häme, Beleidigungen gegenüber PolitikerInnen anderer Parteien, andersdenkender sowie Minderheiten sind ein Zeichen von wenig Selbstwertgefühl. Wir erleben weltweit die Vernichtung jeglicher errungener demokratischer Formen, sowie massivste Einschränkung unserer Lebensplanung.
Waren wir uns 1949 und 1989 nicht einig über den neuen Weg unseres Landes?
Im Moment werden Hass und Häme kübelweise ausgeschüttet. Ich bin entsetzt darüber und kann nur hoffen, dass sich die Menschen besinnen.

Was bedeutet Demokratie für einige?
Demokratie ist kein Egotrip und auch nicht dafür gedacht, Narzissmus und Machtallüren auf Kosten anderer auszuleben.

Gewalt von rechts oder links ist ebenso wenig zu dulden wie das Auftreten von völkischen Gruppierungen oder extrem gefährlicher Formen von Glaubensrichtungen.
Demokratie ist ein fragiles Gebilde und darf den Interessen Weniger nicht einfach für etwas Macht, Geld und Einfluss geopfert werden.
Die Menschen bekommen Angst das zu verlieren, was sie sich erarbeitet haben, sind aber auch kaum bereit für die schwer errungenen Werte einzustehen.

Das politische Gefüge bricht und bröckelt, wo man hinschaut. Die Menschen wenden sich von der Politik ab und resignieren.
Das löst einen gefährlichen Dominoeffekt aus. Dadurch gewinnen populistische Kräfte die Oberhand und versprechen den Menschen das Blaue vom Himmel.

Steht der Mensch noch im Mittelpunkt des Handelns?

Wir dürfen so etwas nicht zulassen, sonst verlieren wir die Basis und damit unser Fundament.
Auch Meinungen kann man manipulieren oder man lässt keine andere Meinung mehr zu, um somit dem politischen Gegner jeglichen Handlungsspielraum zu nehmen, egal in welche Richtung.

Das ist der Anfang vom Ende einer gelebten Demokratie, die für alle Menschen Geltung haben sollten. Ich bin zutiefst erschüttert über die Schnelligkeit der zivilen Veränderung.

Der Richtungsstreit verschiedener Formen von Regierungen weltweit wird immer offensichtlicher und brandgefährlich.

Wo wir hinschauen, gibt es immer mehr Hass und Neid, Gier und Menschenverachtung. Demokratie und Freiheit der Völker sind eine großartige Form des Zusammenlebens, aber leider wollen immer mehr Menschen eine radikale Veränderung mit unvorhersehbaren Folgen.

Die Anonymität vieler Großstädte ist für Kriminelle wie ein Spielplatz von Verbrechen aller Art. Es wird Hass versprüht und einzelne gesellschaftliche Gruppierungen nutzen das schamlos aus.

Das Konzept des zivilen Zusammenlebens wird aufgeweicht und verändert sich. Respektlosigkeit, Neid und Missgunst sind die Früchte einer gefährlichen Saat, die quer durch alle Bevölkerungsschichten um sich greift. Anstandsregeln und Formen gibt es kaum noch.
Höflichkeit, Respekt und Anstand werden als Flirt oder Anmache gesehen, es zählt nur noch als stark, der sich mit dementsprechenden Gewaltausbrüchen gegenüber anderen Gehör verschafft.

Die einstige, fortschrittliche Bildung hat versagt.
Menschen, die sich zur „Elite” fühlen, haben kaum noch Zugang zur wahren Gesellschaft, in der sie leben. Sie kapseln sich ab und bestimmen neuerdings wieder Klassenunterschiede. Das Internet befeuert diese Art des Hasses auch noch mit fadenscheinigen Darstellungen und gezielten Fake News.

Die Demokratie steht am Scheideweg und es ist nur noch ein Hoffnungsschimmer, dass die Menschen sich neu besinnen und einen gemäßigteren Weg einschlagen.

Demokratie und Freiheit sind kein Geschenk, man muss sie ständig aufs Neue verteidigen.

Dass Menschen aber der Freiheit den Rücken kehren, das ist neu.
Ich habe einst für die Meinungsfreiheit gekämpft und auch gelitten, aber das, was ich nun erleben muss – Tag für Tag – macht mich tieftraurig und hoffnungslos.

Bürger und Bürgerinnen engagiert euch wieder, sucht die Gespräche mit der Politik, lehnt euch nicht zurück. Überall suchen die Parteien dringend Nachwuchs. Es ist doch wichtig, dass Bürger und Bürgerinnen für die Gesellschaft auch Verantwortung übernehmen.
Aber auch den Politikerinnen und Politikern in Stadt und Land sei gesagt; geht wieder hinaus und nehmt die Menschen mit auf den schwierigen Weg in die Zukunft.
Seid ehrlich, wenn es notwendig ist, beschönigt nichts und dichtet auch nichts hinzu.

Die Wahrheit bleibt immer noch der beste Partner, sei es in der Politik oder aber auch im realen Leben! Schützt die europäischen und demokratischen Werte.

©Thomas de Vachroi