Armutsbekämpfung und Gerechtigkeit für Menschen in Not im evangelischen Kontext
Bild: Mitarbeitende der Superintendentur Kirchenkreis Neukölln
Armut ist ein zentrales Thema, das die Evangelische Kirche nicht nur als soziale Herausforderung, sondern auch als theologischen Auftrag begreift. Die Bibel fordert uns auf, für die Schwächsten in unserer Gesellschaft einzutreten: „Öffne deinen Mund für die Stummen, für das Recht aller Schwachen“ (Buch der Sprüche (Bibel) Sprüche Kapitel 31,Vers 8). Im Fokus steht die Arbeit der Tee- und Wärmestube Neukölln sowie die Kälte- und Hitzehilfe als konkrete Beispiele für kirchliches Engagement in der Armutsbekämpfung. Angesichts finanzieller Kürzungen wird zudem die unverzichtbare Rolle der Kirchengemeinden beleuchtet.
Gerechtigkeit und Nächstenliebe
Im evangelischen Verständnis ist Armutsbekämpfung eng mit dem Prinzip der Nächstenliebe und der Gerechtigkeit verbunden. Jesus selbst identifiziert sich mit den Bedürftigen: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25,40). Dieses Verständnis prägt das Handeln der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), die sich seit Jahrzehnten gegen Armut engagiert, etwa durch die Aktion „Brot für die Welt“ oder lokale Projekte wie die Tee- und Wärmestube. Armut wird dabei nicht nur als materielle Not, sondern als gesellschaftliche Ausgrenzung verstanden, die durch praktische Hilfe und politisches Eintreten bekämpft werden muss.
Die Tee- und Wärmestube Neukölln – ein Ort der Begegnung
Die Tee- und Wärmestube Neukölln, getragen vom Diakoniewerk Simeon und dem Evangelischen Kirchenkreis Neukölln, ist ein Leuchtturmprojekt der Armutsbekämpfung. Sie bietet obdachlosen und bedürftigen Menschen nicht nur einen warmen Raum, sondern auch Mahlzeiten, Kleidung und soziale Anbindung. Die Wärmestube ist darüber hinaus ein Ort der Würde: Ehrenamtliche und Hauptamtliche schaffen eine Atmosphäre der Akzeptanz, in der Menschen in Not nicht nur Hilfe, sondern auch Gemeinschaft erfahren.
Ein zukunftsweisendes Projekt ist die „Tee- und Wärmestube Plus“, deren Schirmherrschaft Bischof Dr. Christian Stäblein übernommen hat. Diese Tageseinrichtung wird um 16 Einzelappartements erweitert, um obdachlosen Menschen ein stabiles Zuhause zu bieten. Solche Projekte zeigen, wie die Kirche langfristig Perspektiven schafft, indem sie nicht nur akute Not lindert, sondern strukturelle Lösungen fördert.
Bild: Neue Tee und Wärmestube Plus
Kälte- und Hitzehilfe – Schutz vor Extremen Wetterereignissen
Die Kältehilfe in Neukölln, unterstützt durch kirchliche und kommunale Akteure, bietet in den Wintermonaten Schutzräume, warme Mahlzeiten und Schlafsäcke für obdachlose Menschen. Einrichtungen wie die Tee- und Wärmestube oder das Nachtcafé der Fürbitt-Melanchthon-Kirche sind hier zentrale Anlaufstellen. Seit Juni 2024 gibt es zudem eine verstärkte Hitzehilfe, die obdachlosen Menschen in den Sommermonaten Zugang zu Trinkwasser, Schattenplätzen und Hygieneangeboten ermöglicht. Diese Angebote sind überlebenswichtig, da extreme Hitze ebenso gefährlich sein kann wie Kälte.
Die Finanzierung erfolgt teilweise durch Zuwendungen des Landes Berlin, doch die Umsetzung hängt stark von ehrenamtlichem Engagement und kirchlicher Infrastruktur ab. Aktionen wie die „Kaffeewette“ von Bezirksbürgermeister Martin Hikel Neukölln, oder der Firma Umweltconsulting Dr. Hoffmann, bei der Lebensmittelspenden für Einrichtungen wie die Tee- und Wärmestube gesammelt werden, zeigen, wie kreative Kooperationen Lücken in der Versorgung schließen können. Aber auch die Konservenaktionen der Firma Stadtritter und EDEKA Ulrich erweitern das Spektrum der Hilfsbereitschaft. Ebenso wichtig sind die Unterstützungen der Berliner Sparkasse, der Concordia Loge Berlin uvm. für die Versorgung mit Lebensmitteln für die Einrichtungen.
Das sind nur einige in der Aufzählung. Ohne die wirtschaftliche Kraft von Unternehmen und Unterstützergruppen wäre die Situation der TuW nicht sehr gut.
Finanzielle Herausforderungen und die Rolle der Gemeinden
Die Arbeit der Kirche in der Armutsbekämpfung steht vor großen Herausforderungen durch finanzielle Kürzungen. Sinkende Kirchensteuereinnahmen und steigende Kosten zwingen viele Gemeinden, ihre Ressourcen neu zu priorisieren. Dennoch bleibt die lokale Verankerung der Kirchengemeinden ein unschätzbarer Vorteil. Gemeinden bieten nicht nur Räume und Infrastruktur, sondern auch ein Netzwerk von Ehrenamtlichen, die mit Herz und Engagement Projekte wie die Tee- und Wärmestube tragen.
Bild: Genezareth-Kirche Neukölln
„Armutsbekämpfung braucht ein Gesicht.“ Dieses Gesicht sind die Gemeindemitglieder sowie viele Privatspender, die durch Spenden, Zeit und Ideen einen Unterschied machen. Spendenkonten wie das des Diakoniewerks Simeon und die Kampagne „Armut eine Stimme geben“ ermöglichen direkte Unterstützung, während Aktionen wie die Weihnachtsspenden, Osterspenden, Erntedankfest uvm. zeigen, wie Gemeinden Menschen in Not konkret erreichen können.
Gemeinsam gegen Armut
Die Tee- und Wärmestube Neukölln sowie die Kälte- und Hitzehilfe sind beeindruckende Beispiele für das große Engagement des evangelischen Kirchenkreis Neukölln in der Armutsbekämpfung. Sie verkörpern den Auftrag, Gerechtigkeit und Nächstenliebe zu leben, auch unter schwierigen finanziellen Bedingungen. Die Kirchengemeinden sind hierbei unverzichtbar: Sie sind die Basis, auf der solche Projekte wachsen, und die treibende Kraft, die Armut ein Gesicht und eine Stimme gibt. Lassen Sie uns gemeinsam handeln, vernetzen und inspirieren, um den Bedürftigen in unserer Mitte Hoffnung und Perspektiven zu schenken.
Thomas de Vachroi
Armutsbeauftragter
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