Mach’s gut liebe Margot
In tiefer Trauer nehme ich heute Abschied von meiner langjährigen Freundin Margot Friedländer.
Gott hat sie nach einem langen Leben nach Hause geholt.
Nun kann sie nicht mehr sprechen, jetzt müssen wir es für sie tun und das sind wir ihr schuldig.
Ehrenbürgerin Berlins und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes sowie zahlreicher weiterer hoher Auszeichnungen
„Versuche dein Leben zu machen……!“
Der Titel ihres Buches und die letzte Nachricht ihrer Mutter, die ihr mündlich übermittelt wurde, bevor ihre Mutter freiwillig ihrem Sohn (und Bruder Margots) folgte und sich am 20. Januar 1943 in die Fänge der Geheimpolizei begab.
Die 21-jährige Margot Friedländer -nun auf sich allein gestellt- gelang es fünfzehn Monate in Berlin unterzutauchen, bevor auch sie in der Joachimsthaler Straße von der Gestapo verhaftet wurde. Als Jüdin wurde sie in das KZ Theresienstadt verschleppt. Die Mutter und der Bruder wurden in Auschwitz ermordet.
Sie überlebte das menschenverachtende Inferno und wanderte nach Amerika aus. Nach über 60 Jahren in Amerika und nach dem Tod ihres Ehemannes kehrte sie in das Land ihrer Kindheit zurück. Ihre Botschaft: „Nie wieder darf ein solch grauenhaftes Verbrechen geschehen.“
Margot Friedländer, 1921 in Berlin geboren, wurde wie auch ihre Familie als Juden nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte als einzige der Familie den Holocaust. 1946 emigrierte sie nach Amerika – New York. Nach über 60 Jahren entschloss sie sich – 2010 – nach Deutschland und in ihre Geburtsstadt Berlin zurückzukehren. Ohne Groll – wie sie selbst sagt! Sie war Mahnerin für Freiheit und Kämpferin gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung.
Sie wurde nicht müde mit den insbesondere jüngeren Menschen ins Gespräch zu kommen, aufzuklären und zu mahnen. Der Margot Friedländer Preis der gleichnamigen Stiftung, ehrt junge, aber auch erwachsene Menschen für ihren Kampf für Toleranz, gegen Ausgrenzung und Diskriminierung in unserer Gesellschaft.
Ihr Credo: „Es gibt kein jüdisches, muslimisches oder christliches Blut! Es gibt nur menschliches Blut!“
Es war die erschütternde Geschichte der 103 – jährigen. Zollen wir ihr hohen Respekt und Achtung, aber auch Dankbarkeit für ihre Zuwendung an die Menschheit.
Wenn man eine Lesung oder einen Vortrag von ihr miterlebt hat, konnte man eine Stecknadel fallen hören. Eine Geschichte von Auschwitz bis Theresienstadt, von Flucht, Angst und Hoffnungslosigkeit jemals die Familie wiederzusehen…….! Eine erschütternde Lebensgeschichte, vorgetragen ohne Hass, aber immer mahnend.
Mahnend für die Menschen im Heute. Das Heute, was uns wieder Sorgen bereitet und viele Bürger umtreibt. Ist unsere Demokratie in ernster Gefahr? Sind wir wieder am Scheidepunkt der Geschichte?
Der Kampf zum Erhalt der Freiheit und Demokratie währt immer an.
Margot Friedländer wurde nicht müde, den Menschen, indem sie das Grauen der Vergangenheit ihnen vor Augen führte und das „Nie wieder!“ wiederholt nahebrachte.
Versuche, dein Leben zu machen“ – dieser Satz von Margots Mutter gilt auch für uns: als Zeugnis Ihrer Widerstandskraft.
Margot Friedländers Leben war geprägt von unvorstellbarem Leid, aber auch von unglaublicher Kraft, Würde und der Bereitschaft, ihre Geschichte zu teilen, um die Erinnerung an die Schoah wachzuhalten. Ihr Engagement, ihre Wärme und ihr Mut werden vielen Menschen für immer im Gedächtnis bleiben.
Margot Friedländers Licht wird weiterleuchten – in den Herzen aller, die sie kannten und die von ihr berührt wurden.
Liveübertragung der Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee
Ich wünsche mir vom Land Berlin, dass eine Straße oder aber auch ein U-Bahnhof nach ihr benannt wird.
Ich könnte mir auch vorstellen einer Schule ihren Namen zu geben.
Die deutsche Erinnerungskultur ist ein weltweit einzigartiges Projekt: Eine Nation stellt sich ihrer historischen Schuld – nicht als museales Ritual, sondern als aktive Verpflichtung.
Dieses Gedicht habe ich Margot gewidmet:
Ich danke ihr für die jahrelange Freundschaft und ihr großartiges Engagement!
@Thomas de Vachroi