Menschenzeitalter: Das Ende kommt, und das ist auch gut so!
Eine Kolumne von Georg Diez
Der Mensch hat sich die Erde zum Untertan gemacht, hat sie verändert, gestaltet und ausgeraubt: Wir leben im Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen – und mit diesem Begriff entsteht auch das Bewusstsein, dass es damit dereinst vorbei sein wird.
Wenn die Menschheit tot ist, fort und verweht, wenn die Plastikgebirge und die vor sich hin brodelnden Meere allein und verlassen daliegen, wenn ein heißer Wind über die Ödnis fegt und den Staub, der mal eine Stadt war, durch die trübe Luft weht, und wenn sich der Planet dann irgendwann, Millionen von Jahre nachdem die Menschen gegangen sind, langsam wieder erholt – wer wird sich an uns erinnern?
Wir leben im Menschenzeitalter, heißt es, es hat auch einen anspruchsvollen Namen, sie nennen es Anthropozän, die Geologen, Biologen, Meteorologen und all die anderen Forscher und Wissenschaftler, die sich mit dem Wesen des Lebens auf der Erde beschäftigen, wie es entstanden ist, wie es den Planeten verändert hat, wie es enden könnte – denn was einen Anfang hat, weiß jedes Kind, damit ist auch irgendwann Schluss.
Insofern hat es eine ungeheure Bedeutung, wenn sich dieses Bewusstsein durchsetzt, dass wir im Anthropozän leben – dass also das Holozän abgeschlossen ist, das Zeitalter, bevor der Mensch begann, sich die Erde zum Untertan zu machen, sie zu verändern, sie auszurauben, sie zu manipulieren, das Klima, den Boden, die Meere, mehr oder weniger alles bis auf den wilden Feuerkern im Innersten.
Der blaue Planet – Symbol des ökologischen Denkens
Diese Einsicht könnte für das Denken eine ähnliche Wirkung haben wie das Foto, das von der Erde gemacht wurde, als die ersten Raketen in den Weltraum flogen, in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, so jung ist ja das Bild der Erde, dieser blaue Planet, der erst durch dieses Foto seine ganze wüste, verlorene Schönheit offenbarte und auch seine Verletzlichkeit – es war dieses Bild der Erde, das dem ökologischen Denken sein Symbol gab.
In Berlin setzen sich an diesem Wochenende, auf Einladung des Hauses der Kulturen der Welt, Wissenschaftler zusammen, um darüber zu diskutieren, wann das Anthropozän genau begonnen hat, wie es zu definieren ist, was es bedeutet – in der Realität ist es längst zu beobachten: Die Katastrophe erfüllt das Denken, der Klimawandel ist Tatsache, und auch sonst ist der Horror nicht mehr auf Halloween beschränkt und die Apokalypse Allgemeingut geworden.
Das ist der Realismus, der in unseren Science-Fiction-Zeiten steckt, die Saat einer Zukunft, die möglich ist, vielleicht sogar unausweichlich – das Anthropozän aber, dieser Begriff, der seine eigene Evidenz schafft, ist so wichtig für das Denken, weil er den Menschen aus seiner Starre und aus seiner Beschränkung befreit und im Blick auf das Ende erst den Antrieb für Veränderung schafft.
red. Vachroi-VariAble 2014
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.